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Verlorene Heimat

Nach dem Krieg war für Heinz Piontek seine Heimatstadt verloren. Er selbst hatte sich damit abgefunden, nicht zurückzukehren, nicht zurückkehren zu wollen. Dennoch: in der Erinnerung bleibt Kreuzburg und Oberschlesien seine Heimat. In einem Gespräch äußert sich der Autor auf die Frage nach den Überlegungen eines Wiederbesuchs der Heimatstadt.

FRAGE: "Ob wir wohl noch einmal nach Hause kommen?" war die ungewisse Frage der ersten Jahre nach dem Krieg. Beschäftigt Sie diese Frage noch heute? Wann waren Sie zum letzten Mai in Oberschlesien?


ANTWORT: Ich bin seit dem Kriegsende nicht mehr in meiner Heimat gewesen, weil sie nicht mehr mein Zuhause ist. "Zu-Hause-Sein" bedeutet für mich nicht das gleiche wie "Heimat". Meine Heimat war und ist die oberschlesische Kreisstadt Kreuzburg mit ihrer ländlichen Umgebung; zu meiner Zeit eine Grenzstadt, denn unsere Reichsgrenze oder die deutsch-polnische Grenze lag damals nur zwanzig Kilometer von Kreuzburg entfernt. Daß diese Stadt seit 45 Jahren nicht mehr Kreuzburg heißt, daß sie 1945 einen polnischen Ortsnamen erhielt, hängt mit den großen geschichtlichen Veränderungen zusammen, die ich heute als geschichtliche Tatsachen hinnehme. Sie hindern mich jedoch nicht, nach Kreuzburg, nach Schlesien, in den Osten zurückzukehren - kraft meiner Er-innerung, wann immer ich will. Auch mit Hilfe dessen, was ich über meine Heimat geschrieben habe. Und das ist, glaube ich, nicht wenig.

Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn 1990

aus: Wirkungsgeschichte eines schreibenden Einzelgängers, hrsg.v. Ludwig Steinherr, Bd.2, 2.Aufl. 2000, S.680.