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Station 10 Freies Geleit

„Wie mehrfach in seinem Werk reflektiert Piontek hier über das Ende des Lebens. Wie wird es sein, das Sterben? Wie wird er sein, der Aufbruch der Seele in die Unsterblichkeit, auf die der Gedichtsprecher hofft? Piontek wagt es…. Das Thema selbst wird in den ersten Versgruppen nur umrissen, erschließt sich erst durch das ganze Gedicht.

Erstes Bild, unvermittelt direkt durch ‚da wird‘ vor Augen gestellt: Was wird zurückbleiben? ‚Ein Ufer‘ oder ‚das End eines Feldwegs‘-…Der Ort an dem eben noch der Fuß stand, bleibt schlicht zurück, man sieht ihn förmlich kleiner und kleiner werden. Zweites Bild, nun voraus gerichtet: Es geht ‚über letzte Lichter‘ hinaus, über die Grenzen des Bewohnten, Zivilisierten. Dieser Aufbruch sprengt andere Aufbrüche. In der dritten Versgruppe verändern sich Ton und Rahmen: ‚Wir‘ erleben diesen Aufbruch, als Sprecher des Textes sind mindestens zwei Personen zu denken….

Die vierte Versgruppe greift rhythmisierend die Einleitung zum ersten Vers auf. ‚Da wird‘. Doch nun wendet sich der Blick nach innen, auf die eigene Haltung dem Aufbruch gegenüber: ‚unser Mund voll Lachens‘. Als Prätext wird auf Rilkes bekanntes Todesgedicht ‚Schluszstück‘… angespielt. Neben und eigentlich vor Rilke wird aber auch ein biblisches Motiv aufgegriffen…. Wie war das, als der Herr das Los der Gefangenschaft Zions wendete? ‚Da war unser Mund voll Lachens‘ (Ps 126,2).

Mit dieser doppelten Anspielung wird nun endgültig klar, dass es sich um ein Gedicht über das Sterben … handelt. ‚Die Seele reiseklar‘. Das Gedicht setzt die Existenz der Seele voraus, sie ist reiseklar. Wohin geht die Reise? Auch hier wagt Piontek ein Bild: Ziel ist ‚das All‘, doch das ist nur eine ‚schmale Tür‘. Die Tür aber ist ‚angelweit offen‘… Der ungehinderte, durch ‚freies Geleit‘ geschützte Aufbruch beschreibt die sehnsüchtig erhoffte Reise der Seele. Am Ende steht der über sich selbst hinaus verweisende Bindestrich, der Hier und Dort verbindet, verbinden soll. Er markiert das Ende der sprachlichen Fassbarkeit.“

Georg Langenhorst: Auferweckt ins Leben. Die Osterbotschaft neu entdeckt. Darin: Heinz Piontek: Freies Geleit, Freiburg im Breisgau 2018, S. 277-281.

Heinz Piontek ist mit „Freies Geleit“ im Evangelisches Gesangbuch für Bayern und Thüringen (Ausgabe 1994) vertreten: