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Gespräch mit der Schwester von Heinz Piontek

Anlässlich der Eröffnung des neuen Museumsraumes am 15.11.2013 war auch die Schwester Heinz Pionteks, Frau Ilse Huth, in Lauingen anwesend. Schülerinnen und Schüler des P-Seminars durften in einem ausführlichen Gespräch mit der mittlerweile 93-jährigen Schwester einiges über ihren Bruder erfahren. Die Fragen stellte die Schülerin Theresia Schwenk, ausgearbeitet wurden diese auch von Philipp Horstmann und Jonas Heider.

1. Werden Sie heutzutage noch auf ihren Bruder angesprochen? Im Alltag, bei Telefonaten,…

Ich selber komme momentan selten raus, da ich im Rollstuhl sitze.
Ich habe mit einer anderen Dame einen Lesekreis, bei dem ab und zu Fragen über ihn auftreten.
In meinem Alter habe ich kaum noch jemanden, mit dem ich Redekontakt habe.

2. Was haben Sie von der Karriereleiter ihres Bruders mitbekommen? Er hat ja klein angefangen und wurde immer bekannter.

Ich habe ihm, als er ein kleiner Junge war, viel vorgelesen, bis er selbst schreiben konnte.
Die erste selbstgeschriebene Geschichte handelte von einem Leuchtturm. Mit dieser Geschichte nahm er an einem Preisausschreiben teil und gewann seinen ersten Preis. Zunächst konnte mein Bruder aber besser malen als schreiben.
Ich habe jedoch vorerst nicht mehr viel von ihm mitbekommen, da der Krieg begann.

3. Wie stand die Familie zu seinem Schriftstellerdasein?

Ich habe das nie kritisch gesehen; wir haben ihm nur dazu geraten zu einem Verlag zu gehen. Aber er wollte frei sein und das war sein großer Nachteil. Er hatte so eben keine Absicherungen und musste daher zum Beispiel teure Versicherungen selber bezahlen.
Wir waren dann getrennt durch den Krieg und haben uns viel später getroffen; standen aber so gut es ging zu ihm.
Wir wollten aber Sicherheit für ihn und wollten, dass er sich bei einem Lektor meldet.

Mein Vater ist gestorben, da war mein Bruder 2 Jahre.

4. Haben sie mit ihrem Bruder immer Kontakt gehalten

Ja, aber nach dem Krieg hatten wir ein Jahr lang keinen Kontakt mehr, da niemand wusste, wo der andere ist. Sobald wir wussten, wo und ob der andere lebt, haben wir Kontakt aufgenommen.
Nach dem Krieg hatten wir stetig Kontakt.

5. Wie hat der Kontakt mit ihrem Bruder stattgefunden?

Wir hatten eine Adresse in Berlin, falls wir einander nicht mehr finden, da haben wir die Briefe immer hingeschickt, aber keine Antwort erhalten.

6. Ihr Bruder wurde ja oft als literarischer Einzelgänger beschrieben, wurde aber oft mit Bekannten oder Freunden auf Fotos abgebildet. Wie haben sie das wahrgenommen?

Naja, er hatte Freunde, aber er hat sie immer wieder verloren.
Mit seinen Schriftstellerfreunden ging die Freundschaft schnell wieder auseinander.
Er wollte zu keiner Gruppe gehören.

7. Denken Sie, dass er dies absichtlich getan hat?

Nein, ich denke er hat dies nicht absichtlich getan. Er hat an der Schule auch Freunde gehabt und auch beim Militär. Über die Jahre hat er den Kontakt zu seinen Freunden aber immer wieder verloren .

8. Nachdem ihr Bruder aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden ist, hat er beschlossen seinen Wohnsitz nach Lauingen zu verlegen. Was haben Sie davon gehalten?

Nein, das stimmt so nicht ganz! 1945, als er aus der Gefangenschaft gekommen ist, war er in Waldmünchen im bayerischen Wald und wollte dort nur lernen und studieren um dann nach München zu gehen. Es kam aber nur der rein, der Wohnung und Arbeit vorweisen konnte, Wohnung bekam nur der, der Arbeit hatte und Arbeit der, der eine Wohnung hatte. Das war ein Teufelkreis.
Sie können sich das gar nicht vorstellen, München war eine Trümmerstadt. Es wurden dann Stellen für ein halbes Jahr Aufbauarbeit ausgeschrieben. Mein Bruder meldete sich dort und kam so nach München.
Es war ein ganz strenger Winter 1946/47, die Arbeit war sehr hart.
In dieser Zeit hat er zufällig in München einen Kreuzburger Freund getroffen, dessen Mutter in Lauingen gewohnt hat. Dadurch kam mein Bruder nach Lauingen.
Dann hat er eine Hochschule in Dillingen besucht und dort 3 Semester studiert.
Es kam die Währungsreform.
Ich war im Osten in der SBZ und habe meinem Bruder Geld geschickt. Dies konnte ich jetzt jedoch nicht mehr, da wir unterschiedliche Währungen hatten.
Dann hat er aufgehört zu studieren und angefangen zu schreiben.

9. Lauingen ist ja schon ziemlich weit weg von Kreuzburg – wie haben sie es aufgefasst, dass er doch in diese fremde Region geht und nicht zurück in die Heimat und nicht näher an Kreuzburg angesiedelt hat?

Zu den Russen in die SBZ wollte er nicht. Er war früher mit ca. 18 Jahren auf der Offiziersschule in Pilsen. Am 20.April 1945 wurden die meisten jungen Männer zum Leutnant befördert und eingesetzt. Im Mai war der Krieg allerdings schon zu Ende.
Alle Offiziere, die in die SBZ gekommen sind, wurden nach Russland gebracht.
Das hat sich rumgesprochen und das wollte mein Bruder dann verhindern. So konnte er mich nicht besuchen.
Ich habe später im Westen geheiratet, mein Mann war auch Leutnant im Krieg und der war aus der DDR und ist nicht nach Hause gekommen. Weil sie quasi alle Angst hatten in die russische Gefangenschaft zu geraten.