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Kurzinterpretation - Romanzen vom Abschied 3 und Romanzen, reflektiert zurückdenkend

Heinz Piontek

Romanzen vom Abschied

Okarina des Abschieds
bläst mir der heitere Herbst,
Farben von Safran und getrocknetem Blut -
 
ach mit dem Rauch der Kartoffelfeuer
zieht die chimärische Dauer
hinter die Steigung des Hangs.
 
Was mir geliehen wurde:
wechselndes Licht an den Wänden,
Verständnis für manche Vergeblichkeit,
ein tiefer gespürter Schimmer des Laubs -
dem Unerfahrbaren geb ich's zurück.

 

für Hans Egon Holthusen

 

Heinz Piontek: Ich höre mich tief in das Lautlose in. Frühe Lyrik und Prosa. Herausgegeben von Anton Hirner und Hartwig Wiedow. Berlin / Schmalkalden 2011. S. 62

Romanzen, reflektiert
Zurückdenkend
An die Kraut- und Heringstonnen
des Kaufmanns Wollny -
 
(Ich erinnere mich deutlich.)
 
An die scheintoten toten
Dragoner der Heide Basan -
 
An das Schlachtfest
in der Kolonie Buddenbrock -
 
An den starken kleinen Juden
Ephraim -
 
An den Rauch.

Heinz Piontek: Werke in Sechs Bänden. Band 1. Früh im September. Die Gedichte. Gedichte aus fremden Sprachen. München 1982. S. 149 © Anton Hirner, Lauingen

Unter den Gedichten Heinz Pionteks findet man – neben Einzelstücken – alleine vier Folgen, die mit „Romanzen“ überschrieben sind. Es handelt sich dabei um eine lyrische Gattung, die als Verserzählung ursprünglich aus Spanien stammt. Der in Deutschland zuerst von Herder genutzte Begriff wurde später dann bei Eichendorff u. a. verwendet, dabei aber nicht von dem der Ballade, ebenfalls eine Verserzählung, unterschieden. Piontek wird auf Romanzen weniger im Umkreis der älteren Literatur gestoßen sein, sondern eher bei der Lektüre des nach 1945 schnell in Deutschland rezipierten spanischen Lyrikers Frederico Garcia Lorca (1898 - 1936) – ein erster Auswahlband erschien bereits 1948! – und hier vor allem des „Romancero gitano“ („Zigeunerromanzen“). Wie stark Piontek, in dessen Bibliothek zwei Bände Lorcas aus den fünfziger Jahren standen, von diesem andalusischen Dichter angeregt wurde, sieht man besonders an den in vierhebigen Trochäen – von Garcia Lorca für seine Romanzen favorisiert! – geschriebenen Gedichten „Romanze vom schwarzen Hund“ („Gähnend streckt er seine Läufe, / und im Fell die Flöhe jucken“) und „Stiller Mann“ („In der Vogelklause schwimmt der / Rauch aus karger Dämmerung“). Bilder wie „Tabakslicht“, „messingfarbener Sterntau“, „mit einer Stimme aus Honig und Flachs“ verraten ebenfalls den Einfluss des Spaniers, den Piontek 1953 und 1955 in zwei Rezensionen vorstellte.

Heinz Piontek
Romanzen vom Abschied
3
Okarina des Abschieds
bläst mir der heitere Herbst,
Farben von Safran und getrocknetem Blut -
 
ach mit dem Rauch der Kartoffelfeuer
zieht die chimärische Dauer
hinter die Steigung des Hangs.
 
Was mir geliehen wurde:
wechselndes Licht an den Wänden,
Verständnis für manche Vergeblichkeit,
ein tiefer gespürter Schimmer des Laubs -
dem Unerfahrbaren geb ich's zurück.

 

für Hans Egon Holthusen

 

Heinz Piontek: Ich höre mich tief in das Lautlose in. Frühe Lyrik und Prosa. Herausgegeben von Anton Hirner und Hartwig Wiedow. Berlin / Schmalkalden 2011. S. 62

Romanzen, reflektiert
Zurückdenkend
An die Kraut- und Heringstonnen
des Kaufmanns Wollny -
 
(Ich erinnere mich deutlich.)
 
An die scheintoten toten
Dragoner der Heide Basan -
 
An das Schlachtfest
in der Kolonie Buddenbrock -
 
An den starken kleinen Juden
Ephraim -
 
An den Rauch.

 

Heinz Piontek: Werke in Sechs Bänden. Band 1. Früh im September. Die Gedichte. Gedichte aus fremden Sprachen. München 1982. S. 149 © Anton Hirner, Lauingen

 

Unter den Gedichten Heinz Pionteks findet man – neben Einzelstücken – alleine vier Folgen, die mit „Romanzen“ überschrieben sind. Es handelt sich dabei um eine lyrische Gattung, die als Verserzählung ursprünglich aus Spanien stammt. Der in Deutschland zuerst von Herder genutzte Begriff wurde später dann bei Eichendorff u. a. verwendet, dabei aber nicht von dem der Ballade, ebenfalls eine Verserzählung, unterschieden. Piontek wird auf Romanzen weniger im Umkreis der älteren Literatur gestoßen sein, sondern eher bei der Lektüre des nach 1945 schnell in Deutschland rezipierten spanischen Lyrikers Frederico Garcia Lorca (1898 - 1936) – ein erster Auswahlband erschien bereits 1948! – und hier vor allem des „Romancero gitano“ („Zigeunerromanzen“). Wie stark Piontek, in dessen Bibliothek zwei Bände Lorcas aus den fünfziger Jahren standen, von diesem andalusischen Dichter angeregt wurde, sieht man besonders an den in vierhebigen Trochäen – von Garcia Lorca für seine Romanzen favorisiert! – geschriebenen Gedichten „Romanze vom schwarzen Hund“ („Gähnend streckt er seine Läufe, / und im Fell die Flöhe jucken“) und „Stiller Mann“ („In der Vogelklause schwimmt der / Rauch aus karger Dämmerung“). Bilder wie „Tabakslicht“, „messingfarbener Sterntau“, „mit einer Stimme aus Honig und Flachs“ verraten ebenfalls den Einfluss des Spaniers, den Piontek 1953 und 1955 in zwei Rezensionen vorstellte.